Beim ELA Treffen andere Familien kennenzulernen, wissen, dass man den schweren Weg nicht alleine geht, hat mir sehr geholfen, mit der Diagnose meines Sohnes umzugehen. Die Möglichkeit für einen Austausch ist sehr wichtig und man fühlt sich endlich verstanden. Danke ELA!

Marianne Bal


Giant Axonal Neuropathy (GAN)

Author: Dr. med. Andrea Gangfuß (Universitätsklinikum Essen)

Die Giant Axonal Neuropathy (Kurzform „GAN“) ist eine sehr seltene genetisch bedingte Erkrankung, die das periphere und zentrale Nervensystem betreffen kann. Sie wird primär den Neuropathien zugerechnet, in schweren Fällen ist auch eine Leukodystrophie bzw. Leukencephalopathie (Veränderungen der weißen Hirnsubstanz) teil der Erkrankung.

Was bedeutet „Giant Axonal Neuropathy“?

Namensgebend für die Giant Axonal Neuropathy (von englisch giant = riesig) ist die Ausbildung von sog. Riesenzell-Axonen, d.h. die Nervenzellfortsätze schwellen krankheitsbedingt an.

Was ist die Ursache der GAN?

Aufgrund eines genetischen Defektes im gleichnamigen GAN-Gen kann das Protein Gigaxonin nicht gebildet werden. Gigaxonin ist am Auf- und Abbau des axonalen Zytoskeletts beteiligt. Bei einer Störung des Proteins kommt es zu einer Ansammlung von „Zellfasern“ (Filamenten); diese verursachen dicht gepackte, geschwollene „Riesenzell-Axone“, die die Signalübertragung zwischen dem peripheren Nervensystem (Arme, Beine usw.) und dem zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) stören.

Wie wird die GAN vererbt und wie häufig ist die Erkrankung?

Die GAN folgt einem autosomal-rezessiven Erbgang. Bei Betroffenen liegt daher eine krankheitsverursachende Veränderung („pathogene Variante“ oder „Mutation“) in beiden Genkopien des GAN-Gens auf des Chromosom 16 vor („homozygot“ oder „compound-heterozygot“). Ist das Individuum Träger zweier gleicher Varianten bezeichnet man dies als homozygot, bestehen unterschiedliche Varianten, spricht man von einer compound-heterozygoten Konstellation. Ist nur eine Genkopie betroffen („heterozygot“), erkrankt der Träges selbst nicht, kann jedoch das Gen mit der Mutation an seine Kinder weitergeben. Vorausgesetzt beide Eltern sind Träger, sind 25% der Nachkommen gesund ohne Anlageträger zu sein, 50% gesunde Anlageträger und 25% erkrankt. Mädchen und Jungen erkranken gleich häufig. Betroffene Familien haben das Recht auf eine humangenetische Beratung.

Die Häufigkeit der Erkrankung und die Anzahl der erkrankten Patienten ist unbekannt. Weltweit sind ca. 80 verschiedene pathogene Varianten (Mutationen) im GAN-Gen bekannt und ca. 100 Fälle in der Medizinischen Fachliteratur beschrieben. Neuere Daten weisen auf ein eventuell häufigeres Auftreten hin.

Welche Formen der GAN gibt es und wie verläuft die Erkrankung?

In der jüngeren Vergangenheit gibt es vermehrt Hinweise auf zwei Formen der GAN.

Bei der klassischen GAN verlaufen die ersten beiden Lebensjahre zumeist normal und die Kinder zeigen eine altersentsprechende Entwicklung. Um das 2.- 3. Lebensjahr manifestiert sich die Erkrankung durch eine Verschlechterung der Motorik, auffällig durch ein unsicheres Gangbild, Bewegungs- und Koordinationsstörungen. Die Kinder wirken „ungeschickt“ durch eine Beeinträchtigung der Feinmotorik. Das unsichere Gangbild führt zu häufigem Stolpern und/oder Hinfallen. Eine Muskelschwäche tritt zuerst an den unteren Gliedmaßen auf, ebenso wie Störungen in der Wahrnehmung der sensiblen Nerven. Auffällig ist bei einem Teil der Patienten ein dichtes krauses Haar, dass sich deutlich von denen der Eltern unterscheidet. Im weiteren Verlauf kommt es vermehrt zu Störungen im neurologischen System: Koordination, Kraft, Sinneswahrnehmungen und Reflexe können verloren gehen. „Augenzittern“ (Nystagmus), Augenbewegungsstörungen, Sprach- und Schluckstörungen, Beeinträchtigung der Verdauung und der Blasenfunktion, Atemfunktionsstörungen, Kontrakturen – im frühen Verlauf vor allem der Füße, im späteren Verlauf in weiteren Gelenke bis zum Verlust der Hand- und Greiffunktion, Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose), Abbau der kognitiven Fähigkeiten, Hörstörungen und Sehverlust können die Patienten beeinträchtigen. Mittels Kernspintomographie (MRT, sog. Schnittbildgebung) können fortschreitende Auffälligkeiten im Großhirn (besonders im Bereich der „weißen“ Hirnsubstanz), aber auch im Bereich von Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark dargestellt werden. Die meisten Patienten sind im zweiten Lebensjahrzehnt auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Lebenserwartung ist deutlich eingeschränkt, einige Patienten überleben bis ins frühe Erwachsenenalter.

Die später auftretende Form („late-onset“) hat Ähnlichkeiten mit der Charcot-Marie-Tooth (CMT) Erkrankung, der häufigsten neurogenetischen Erkrankung des peripheren Nervensystems, die unterschiedliche genetische Ursachen hat. Die später auftretende Form wird deshalb auch als „CMT-like“ oder „CMT+“ Erkrankung beschrieben. Der Erkrankungsbeginn ist in der Regel nach dem 5. Lebensjahr, kann jedoch auch deutlich später auftreten. Die motorischen Symptome ähneln der klassischen GAN, sind jedoch in der Ausprägung deutlich milder und langsamer im Verlauf. Eine Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems liegt meist nicht vor oder ist eher milde ausgeprägt. Sehstörungen, Schluck- und Sprachstörungen oder kognitive Beeinträchtigung kommen zumeist nicht vor. Bei Geschwistern oder weiteren Verwandten innerhalb einer Familie mit der gleichen Mutation kann der Krankheitsbeginn, die Ausprägung und der Verlauf der Erkrankung individuell stark variieren.

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Cornelia Pohl

Wie wird die GAN diagnostiziert?

Die Diagnose GAN wird durch eine genetische Analyse und dem Nachweis einer Mutation im GAN-Gen gesichert. Der Nachweis der namensgebenden Riesenzell-Axone in einer Nervenbiopsie spielt heutzutage keine Rolle mehr. Ein Biomarker, der vorher für diese Erkrankung existiert bisher nicht.

Weiterhin können neurophysiologische Untersuchungen, eine Nervensonographie und eine MRT von Gehirn und Rückenmark die Diagnostik unterstützen. Diese Untersuchungen sind nicht spezifisch für GAN, können jedoch Hinweise auf eine Verdachtsdiagnose geben oder helfen, den Verlauf der Erkrankung einzuschätzen. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist in den peripheren Nerven herabgesetzt und verringert sich im Verlauf der Erkrankung. In einer Nervensonographie können die Axone der Nerven verdickt dargestellt sein. Die Kernspintomographie zeigt die Beteiligung der Hirnstrukturen auf. Sie kann am Beginn der Erkrankung noch unauffällig sein.

Welche Behandlungsmöglichkeiten der GAN gibt es?

Aktuell gibt es keine ursächliche Therapie der GAN. Eine unterstützende (supportive oder symptomatische) Therapie erfolgt nach der Beeinträchtigung der Organsysteme und des Krankheitsverlaufes.

Orthopädische Interventionen zur Behandlung der Kontrakturen (Bewegungseinschränkungen der Gelenke) oder der Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) können notwendig werden häufig ist eine Ernährung mittels einer Nasen- oder Magen-Darm-Sonde (PEG) im späteren Verlauf notwendig.

Gehhilfen werden früh erforderlich, ein Rollstuhl wird zumeist in der 2. Lebensdekade notwendig. Weitere Hilfsmittel zur Steh- und Sitzversorgung, zur Lagerung, ein Pflegebett, Hilfsmittel für Dusche/Bad oder für den Transport (Auto, Lift) können unterstützen.

Gegebenenfalls wird die Unterstützung der Vitalfunktionen im Verlauf notwendig und erfordert eine Beatmungsunterstützung sowie den Einsatz eines Husten-Assistenten.

Medikamente können die Therapie symptomorientiert unterstützen, hier ist vor allem an schmerzlindernde Medikamente zu denken, jedoch auch an Medikamente zur Verbesserung der Darmmotilität, zur Reflux-Therapie oder zur Behandlung einer eventuell auftretenden Spastik.

Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder weitere heilpädagogische Maßnahmen können den Verlauf positiv beeinflussen und sollten bei bestehendem Bedarf früh begonnen werden. Ebenfalls sollten Sie Ihren Arzt auf Rehabilitationsmaßnahmen, soziale Unterstützungen wie z.b. Schulbegleitung/ Integrationskraft, Beschulungsmodelle, Pflegegeld, Pflegedienst, Palliativdienstes und Hospizaufenthalte ansprechen.

Der Austausch mit betroffenen Eltern und Patientenorganisationen kann hilfreich sein.

Ein möglicher neuer Behandlungsansatz zur Therapie der GAN wird derzeit in den USA in einer klinischen Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02362438) untersucht. Das defekte Gen soll hierbei mittels Gentherapie ersetzt werden, um die Funktion des Proteins Gigaxonin wiederherzustellen.

Was können Sie als Eltern tun?

  • GAN ist eine sehr seltene Erkrankung, es gibt noch wenig Wissen über die Erkrankung und nur wenige Experten haben ein vertieftes Detailwissen hierüber.
  • Werden Sie selbst zum Spezialisten und helfen Sie auch den Ärzten, die Krankheit besser zu verstehen. Sie kennen Ihr Kind am besten.
  • Nehmen Sie Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum auf.
  • Nehmen Sie Ihr Recht auf eine humangenetische Beratung wahr.
  • Bleiben Sie kritisch bei Informationen aus dem Internet und sozialen Medien.
  • Nutzen Sie Beratungsstellen von Sozialdiensten, Kranken- und Pflegekassen.
  • Informieren Sie sich früh über die Möglichkeiten von Pflegedienst, Palliativdienst oder Hospizen.
  • Tauschen Sie sich mit Betroffenen aus und nehmen Sie Kontakt mit Elternvereinigungen wie ELA e.V. in Deutschland oder Hannahs Hope Foundation in den USA auf.

Ansprechpartner: Tobias Mentzel

Sie können auch ihre Kontaktdaten hinterlassen und ich melde mich sehr gerne bei ihnen.

Telefon 06232-8778653
Email: ed.veale@leztnem.saibot